Stromnetz in Gefahr: TenneT warnt vor Brownouts als ultima ratio

Tim Meyerjürgens, Deutschlandchef des Übertragungsnetzbetreibers TenneT, hat in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein klares Signal gesendet: Ein gezielter Netzstillstand ist kein Selbstläufer, sondern eine Stromnetz-Notmaßnahme, die nur dann in Betracht kommt, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind.

Warum Brownouts plötzlich ernst genommen werden müssen

Der Begriff "Brownout" steht in Deutschland bisher kaum im öffentlichen Bewusstsein. Er beschreibt das kurzzeitige Abschalten einzelner Netzabschnitte, um eine Überlastung des Gesamtsystems zu verhindern. Im Gegensatz zu einem flächendeckenden Blackout würde ein Brownout nur ausgewählte Regionen betreffen – und das nur für wenige Minuten bis Stunden. Für private Haushalte könnte das bedeuten, dass Licht, Heizung oder Küchengeräte plötzlich ausfallen, ohne dass ein großer Stromausfall angekündigt wurde.

Meyerjürgens betont, dass ein solcher Eingriff bislang in Deutschland nicht praktiziert wurde. Er sei daher ein Zeichen dafür, dass das Netz an seine physischen Grenzen stößt. Die Ursache liege nicht in einem Mangel an Energieerzeugung, sondern in einer unausgeglichenen Infrastruktur: Die Installation von Wind‑ und Solarkraftwerken hat in den letzten Jahren ein Tempo erreicht, das die Fertigstellung neuer Höchstspannungsleitungen hinter sich lässt.

Regionale Engpässe und der Einfluss des Wetters

Besonders betroffen sind Gebiete, in denen in den vergangenen Jahren eine Flut von Solaranlagen entstanden ist. Südostbayern wird von Meyerjürgens als Paradebeispiel genannt. Dort kann bei starkem Sonnenschein ein plötzlicher Stromüberschuss entstehen, der das lokale Netz überlastet, weil die Leitungen nicht in der Lage sind, die Energie schnell genug abzuleiten. Das Wetter spielt dabei eine Doppelrolle: Während wolkenreiche Tage das Risiko mindern, können unerwartet helle Tage die Situation sofort verschärfen.

Für die bevorstehenden Osterfeiertage sieht Meyerjürgens Glück im Himmel. Wetterprognosen sprechen von moderaten Sonnenstunden und damit von einem geringeren Risiko für kritische Netzlasten. Trotzdem bleibt die Gefahr bestehen, dass unvorhergesehene Wetterumschwünge das Gleichgewicht stören und ein Brownout unvermeidlich machen.

Der Experte warnt, dass solche Engpässe nicht über Nacht verschwinden werden. Der Ausbau von Leitungsnetzen erfordert lange Planungs- und Genehmigungsverfahren, sodass die kritische Phase voraussichtlich noch zwei bis drei Jahre andauern wird, bis die notwendige Infrastruktur fertig ist. In dieser Übergangszeit müsse TenneT wachsam bleiben und bereit sein, im Notfall kurzfristige Abschaltungen vorzunehmen, um die Stabilität des gesamten deutschen Stromsystems zu sichern.

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